Als gestern mein Vater hier war bemerkte ich, dass in mir ein Gefühl der Freiheit zu spüren war.
Keine Spuren mehr von Groll, Gram, Wut, Traurigkeit, nur ein ganz ganz tiefes Gefühl von Mitgefühl für diesen alten kranken gebrechlichen Mann.
Er wirkte hilflos, nichts, rein gar nichts erinnerte an den ewig werkelnden tobenden Despoten von einst.
Früher, als ich gaaaanz jung war, habe ich beschlossen, dass es Dinge gibt, die ich nicht verzeihen kann und WILL. Damit hatte ich meinen Frieden gemacht.
Allmählich merkte ich, dass ich mehr und mehr ohne meine Zutun all den Tätern und Co-Tätern vergeben habe. Es passierte einfach, aus dem Herzen heraus.
Zurück blieben latente Gefühle von Angst, Groll, Gram, nicht sehr mächtig, aber belastend, wenn ich mit irgendeinem Täter von mir konfrontiert wurde.
Das ist jetzt wohl auch verschwunden, es fühlt sich innerlich frei an. Und da ist nur Platz für Mitgefühl. Mein Vater ist über 90, sehr krank, sehr gebrechlich, und auf Hilfe angewiesen. Geistig ist er voll auf der Höhe.
Noch vor einigen Jahren hat er gewerkelt was das Zeug hält. Meine Mutter war damals schon so beeinträchtigt durch viele Stürze, dass sie die Wohnung nicht mehr verlassen konnte, sie schaute viel TV und widmete sich ihrer Filet-Häkelei. Mein Vater hat es gehasst, wenn jemand „nichts tat“ und vor der Glotze hing. Damals hat er sehr oft einfach die Sicherung des Fernsehers rausgedreht, um meine Mutter zu ärgern und seine Verachtung für ihr Verhalten kundzutun.
Heute kann er selbst nichts anderes mehr tun als fernsehen. Gestern bat er mich ihm übers Internet ein paar alte Filme zu bestellen. Roy Black, Georg Thomalla, John Wayne hatte er auf seinem Wunschzettel, habe ich gemacht und heute kamen sie schon bei ihm an.
Für mich war es gut, zu fühlen, dass keine alten Gefühle mehr aufkommen.
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